Ich glaube, das jeder von uns überreich beschenkt ist. Und dass es manchmal nur einen kleinen Perspektivwechsel braucht, um den Reichtum in unserem Leben zu erkennen. Ich möchte dem Räuber diese Perspektive zeigen! Ich wünsche mir, dass er mit dem Gefühl aufwächst, reich beschenkt zu sein. Ich wünsche mir, dass es ihm zum Lebensgefühl wird, egal was die Füllung des Spielzeugregals oder später sein Kontostand sagt. Und ich glaube, dass die Gewohnheit zu teilen und von unserem Reichtum weiterzugeben uns hilft diese Perspektive zu bewahren und als Lebensgefühl zu verankern.
Bevor ich erzähle, wie wir das im Familienalltag umsetzen, noch ein paar Hintergrund-Gedanken dazu:
Wieso teilen, wenn es selbst überall fehlt?
Bestimmt kennst du solche Momente, wo man sich ganz und gar nicht reich fühlt. Das Gefühl entsteht vor allem, wenn man sich mit anderen vergleicht. Ich glaube, jeder von uns hat diese Freunde oder Verwandte die sich immer ein bisschen mehr leisten können. Die vielleicht länger oder öfter (oder überhaupt) in den Urlaub fahren. Die sich das bessere Auto oder eins dieser schicken E-Bike-Lastenräder leisten können ohne darüber nachzudenken. Die ihre Wohnungseinrichtung einfach ergänzen oder austauschen können, wenn ihnen etwas neues besser gefällt statt zu warten bis die Möbelstücke wirklich auseinander fallen. Die am Monatsende noch nie bangen mussten, ob es für die nächste Hauskreditrate, die Miete oder die dicke Werkstattrechnung reicht.
Ich weiß nicht, um welche Punkte du diese Liste ergänzen würdest. Mir machen solche Vergleiche manchmal zu schaffen. Und dann fühle ich mich kein bisschen reich beschenkt – eher im Gegenteil. Ich werde unzufrieden und unglücklich.
Perspektiv-Wechsel
Ich glaube, dass der Schlüssel in der Perspektive liegt. Wir machen unser Gefühl für ein reiches und zufriedenes Leben oft davon abhängig, wer mehr und wer weniger hat. Irgendwo auf dieser Leiter von Arm nach Reich suchen wir unseren Platz und blicken dann sehnsüchtig nach oben, mit dem Wunsch vielleicht irgendwann noch 2-3 Sprossen gut zu machen.
Was wäre denn, wenn wir mal nur auf uns schauen würden? Wenn wir nicht mehr fragen würden, was jemand anders mehr hat, sondern was wir haben? Wenn wir nicht mehr auf die Zukunft hin leben, was wir irgendwann zu erreichen und besitzen hoffen, sondern mal im Hier und Jetzt nach Schätzen suchen?
Foto von Karyna Panchenko auf Unsplash
Kastanienreich
Kindern gelingt dieser Perspektivwechsel viel leichter. Wie Madelaine. Madelaine ist 5 Jahre alt und liebt Kastanien! Sobald die ersten braunen Kugeln von den Bäumen fallen, zieht sie los und sammelt sie in großen Stofftaschen. Und sie zeigt sie jedem, den sie unterwegs trifft. Auch vollkommen Fremden wie uns. Sie platzt fast vor Begeisterung während sie uns eine Kastanie nach der anderen zeigt und uns stolz erzählt: “Ich bin kastanienreich!” Madelaine sorgt sich nicht um Geld oder unerfüllte Wünsche, ihr ist es egal, ob andere sich vielleicht mehr leisten können als sie. Denn sie ist reich! Kastanienreich!
Diese Begegnung ist mittlerweile 12 Jahre her. Aber noch heute sammle ich im Herbst Kastanien und verteile sie mir als Erinnerungsstütze in Jackentaschen und Blumenkübeln. Denn eigentlich bin auch ich kastanienreich!
Mir wird nichts mangeln!
Eine andere Erinnerungsstütze haben wir vor einer Weile zum Abschied einer Gemeindestelle bekommen. Dieses schöne Vesperbrettchen mit dem Vers aus Psalm 23: “Mir wird nichts mangeln” steht seither in unserer Wohnküche, so platziert dass mein Blick oft daran hängen bleibt. Besonders an Tagen, wenn mir solche Vergleiche zu schaffen machen, wenn eine dicke Rechnung ins Haus flattert, die einen lange gehegten Wunsch wieder aufs Wartegleis befördert, dann tut es gut diesen Satz zu lesen. Denn er stellt mir eine wichtige Frage: “Mangelt es dir denn an irgendetwas?” Er fragt nicht nach unerfüllten Wünschen, sondern nach tatsächlichem Mangel.
Und das macht mich demütig, weil ich dann sagen muss, dass ich eigentlich mit allem Wichtigen versorgt bin. Mein Kühlschrank ist randvoll. Ich habe ein Dach über dem Kopf, ein warmes Bett und kann sogar zwischen verschiedenen Härtgraden meiner Matratze wählen. Für die tägliche Pflege habe ich Zugang zu frischem Wasser in Trinkwasserqualität und wenn ich krank bin, kann ich einfach so zum Arzt gehen, selbst Nachts und am Wochenende.
Und nicht nur, dass ich mit dem Essentiellen versorgt bin, Gott hat mir noch so viel mehr geschenkt! Ich habe meinen besten Freund geheiratet. Wir haben einen wunderbaren Sohn, der mich zum Platzen glücklich macht. Wir haben schon so viele schöne Reisen erlebt, mit Rucksack und wenig Luxus, aber dafür mit umso mehr Abenteuer und schönen Erinnerungen. Ich haben so viele Abende mit Freunden am Lagerfeuer, auf Picknickdecken und Partys verbracht, so oft getanzt und gelacht bis die Wolken wieder lila sind. Jedes Bild in unserer Wohnung erzählt von solchen schönen Erlebnissen. Gestern konnten der Räuber und ich vor der 30-Grad-Dachgeschosswohnung in den kühlen Wald fliehen und dort einen wunderschönen Morgen verbringen, barfuß im Matsch und Moos laufen und Schmetterlinge beobachten. Und auf dem Heimweg ein Fleischkäsewecken beim Lieblingsbäcker holen statt zu kochen. Und wenn ich darüber nachdenke, könnte ich diese Liste noch endlos weiterführen. Ich hör an dieser Stelle mal auf, sonst sprengt es den Rahmen. Aber wenn du Lust hast, mach dir doch mal eine eigene Liste! Es dauert manchmal ein bisschen, einen Anfang zu machen, wenn einem gar nicht danach zumute ist, aber ich kann dir versprechen: Hinterher wirst du dich kastanienreich fühlen!
Praktische Ideen für den Familienalltag
Ich wünsche mir, dass sich dieses Lebensgefühl beim Räuber tief verankert. Dass er an jedem Tag etwas findet, was ihn kastanienreich macht. Dass er unabhängig von den Umständen immer einen Überfluss in seinem Leben entdecken kann.
Und ich glaube, dass im Teilen ein Schlüssel dazu liegt, dieses Lebensgefühl zu verinnerlichen. Sei es im Teilen von schönen Erlebnissen oder von materiellem Überfluss. Drei Möglichkeiten zur Umsetzung im Familienalltag habe ich euch hier mal aufgeschrieben:
Reich beschenkt: Ein Abendritual
Wenn der Räuber bettfertig ist, machen wir es uns auf dem Sofa im Kinderzimmer gemütlich. Wir singen ein Gute-Nacht-Lied und dann überlegen wir gemeinsam, was wir heute so erlebt haben. (Das haben wir übrigens schon angefangen, bevor der Räuber sprechen konnte. Den Tag mit allen seinen Erlebnissen nochmal Revue passieren zu lassen, hat ihm schon immer sehr gut getan, auch als es nur die Stimme von Mama war, die ihm davon erzählt hat. Es hilft unheimlich dabei, den Tag abzuschließen und zur Ruhe zu finden.
Am Ende stellen wir jedem von uns die Frage: Was war das Schönste heute? Was hat dich heute glücklich gemacht? Jeder darf von seinem Highlight erzählen, und dann sagen wir im Abendgebet Gott Danke für diese Schätze. Denn egal wie der Tag gelaufen ist: es findet sich immer etwas schönes, das den Tag kastanienreich gemacht hat.
Reich geschenkt: Vom Überfluss weitergeben
Nicht nur unser Kühlschrank ist überreich gefüllt. Auch unsere anderen Schränke beherbergen doch mehr als wir wirklich brauchen: Im Spielzeugregal stehen Autos, mit denen der Räuber schon seit einem Jahr nicht mehr spielt. Wir haben jeder Kleidung, die längst nicht mehr passt (oder noch nie gepasst hat).
In meiner Heimatstadt Freiburg gibt es das S’Einlädele – eine tolle Organisation die gut erhaltenes Gebrauchtes sammelt um damit ein Mehrgenerationenhaus in der Ukraine zu versorgen, wo obdachlose Senioren und und Jugendliche ein neues Zuhause und eine Ersatzfamilie finden. Und was dort nicht gebraucht werden kann, wird in dem schönen kleinen Secondhand-Laden verkauft und fließt als Geld ins Projekt. Aber auch in vielen anderen Städten gibt es solche Organisationen und Sammelstellen für die verschiedensten Projekte im In- und Ausland. Das Aussortieren kann man übrigens auch gut mit Kindern zusammen machen. Sehr inspirierend fand ich vor kurzem die Idee einer großen Mama-Influencerin: Sie hat gemeinsam mit den Kindern das ganze Spielzimmer leer geräumt. Jedes Kind durfte sich 10 Spielsachen aussuchen, die im Zimmer bleiben und jeden Tag durften sie aus den aussortierten Kisten eine Sache zurück holen. Dabei gab es auch einige Tage, an denen die Kinder gar nichts aus den Kisten zurück holen wollten! Nach einer vorher festgelegten Zeit wurden dann alle noch aussortierten Spielsachen gespendet.
Für zu klein gewordene Kleider gibt es bei uns im Kinderschrank eine extra Schublade (der Räuber wächst so schnell, ich schaffe es nur alle paar Größen mal, mir wirklich die Zeit zum Durchsorieren zu nehmen). Dann schauen wir die Sachen durch, sortieren ein paar Lieblingsteile aus für den Dachboden oder das Puppenrecycling, und was vom Rest noch übrig ist, wird gespendet.
Reich beschenkt: Unsere Weltkugel-Spardose*
Vor einer Weile bin ich auf Instagram über einen tollen Beitrag gestolpert, der mich zu diesem Blogbeitrag inspiriert hat: Die Familie hat solche Weltkugel-Spardosen in denen sie Geld sammeln. Und einmal im Jahr dürfen die Kinder entscheiden, wohin sie das Geld aus diesen Spardosen geben wollen. Was für eine schöne Idee! Die Kinder dieser Familie sind schon etwas größer als unser Räuber, sie bekommen schon Taschengeld. Und zu jedem Taschengeld gibt es auch ein bisschen Geld für die Weltspardose*. Für den Räuber wird es eher eine Findel-Geld-Dose werden. Dort darf er dann immer mal wieder reinschmeißen, was hinterm Sofa oder zwischen den Autositzen so auftaucht. Und ab und zu mal das Rausgeld vom Einkaufen.
Ich finde die Idee einfach schön, um Kindern zu zeigen, dass wir auch finanziell immer noch etwas mehr haben, als wir brauchen. Ein bisschen Kleingeld ist doch immer übrig. Und am Ende eines Jahres zählen wir gemeinsam, und staunen wie viel wir doch weglegen konnten, ohne dass es ins Gewicht gefallen ist.
Ich hab mir überlegt, das Projekt im Vorfeld auszusuchen. Dann werden wir auf die Weltkugel* zwei kleine Aufkleber machen: dort wo wir wohnen und dort, wohin dieses Jahr unser Findelgeld gehen soll. Und ab und zu, wenn wir wieder ein bisschen Geld in die Weltspardose* geworfen haben, schauen wir uns ein paar Bilder an, was dort Tolles aus unserem Überfluss entsteht – und sagen Gott danke, dass er uns so überreich beschenkt hat.
Was, wenn Kinder nichts abgeben wollen?
Dieser Absatz ist eine Ergänzung aus 2024. Seit 3 Jahren haben wir unsere Weltspardose. Der Räuber liebt sie und weiß immer genau, was das aktuelle Spendenprojekt ist und freut sich so, zu helfen. Gleichzeitig wird das „eigene“ Geld und was er sich damit kaufen möchte umso wichtiger für ihn, je älter er wird. Und dementsprechend fällt auch das Teilen schwerer. Dazu wollte ich ein paar Worte hier ergänzen. Wenn wir mit Kindern diese Perspektive von Überfluss und Teilen einüben wollen, darf Teilen nie ein Zwang sein! Denn das ginge am Sinn und Zweck des ganzen komplett vorbei. Es würde sofort und mit Erleichterung aufgegeben, sobald der Zwang weg wäre. Es würde ein Gefühl von Mangel und „mir wird noch genommen“ verfestigen, statt dem Geben aus Überfluss, das wir uns wünschen. Aber was dann tun?
1. Vorleben
Als Erwachsene können wir selbst immer mal wieder was im die Spardose schmeißen. Wir können von unseren Sachen aussortieren und mit den Kindern zusammen den Karton zur Hilfsorganisation bringen. Wir können auf unsere Kosten für Weihnachten im Schuhkarton und andere Aktionen packen. Wir können aus dem Garten ernten und mit den Kindern darüber sprechen, das wir so viel haben, dass es noch für andere reicht und Freunde zum Apfelkuchen essen oder zur Kartoffelsuppe einladen. Auch wenn es gerade nicht vom Kind kommt, bleibt die Botschaft: Als Familie können wir es uns leisten, von unserem Überfluss weiterzugeben. Die Freude am Helfen und Schenken ist genauso groß und irgendwann wird das Kind wieder selbst Lust bekommen.
2. Brücken bauen
Ich hatte oben von der Familie erzählt, die ihren Kindern zum Taschengeld Extra-Geld für die Spendendose gibt. Das kann man bei verschiedenen Gelegenheiten einbauen: wenn das Kind Geld bekommt, extra was dazuzugeben für die Spendendose. Damit es abgeben kann ohne das ihm etwas verloren geht.
3. Zeigen, wo die Spende ankommt
Nächste Woche fahren wir eine Kiste Sachspenden weg und da nehme den Räuber mit. Von den Projekten, an die wir gespendet haben, kommt immer mal wieder Post. Die schauen wir zusammen an. Die letzte Spende ging an WWF, um Geisternetze aus dem Meer zu fischen, damit sich keine Tiere mehr darin verheddern und sterben. Da Geschichten nachzulesen und zu sehen, was mit der Spende passiert und was das Teilen Gutes bewirkt hat, ist motivierend und macht stolz.
4. Spendenprojekt ist Kinderentscheidung
Auch wenn im letzten Jahr das Geld in der Weltkugel-Dose hauptsächlich von uns kam, ist es sein Projekt. Der Räuber sucht aus, wohin das Geld geht. Zum Weltspartag, wenn die Dose zur Bank geht, machen wir einen kleinen Auswahlprozess (früher mit Bildkarten, heute im Gespräch): Wem soll das Geld helfen (Menschen, Tiere, Natur)? Hat der Räuber selbst bestimmte Ideen? Sonst schlagen wir ihm ein paar Projekte vor, wir schauen online Bilder & Videos davon an. Dann wählt er eins aus und wir schauen auf der Weltkugel, wo das Projekt ist. Dort kommt dann ein Aufkleber hin. Es ist mir anfangs gar nicht so leicht gefallen, ihn selbst aussuchen zu lassen. Grade weil wir so viele Freunde haben, die in Spendenprojekten und NGOs arbeiten. Aber hier geht es darum, dass er seins findet, wo er beitragen möchte. Auch wenn ich vielleicht lieber ein Kinderhilfswerk in Afrika unterstützen würde als eine Baumpatenschaft.
Die Instagram-Challenge
Was für eine spannende Woche! Nach der Veröffentlichung dieses Beitrags ist auf Instragram spontan eine ganze Themen-Woche dazu entstanden: Die “Reichbeschenkt-Challenge”.
In den Storys haben wir uns eine Woche lang ausgetauscht. Wofür sind wir dankbar? Was macht unser Leben reich? Wie können wir dieses Gefühl reich beschenkt zu sein an unsere Kinder weitergeben? Wie lernen wir zusammen teilen? Und wenn wir dann materiell oder finanziell von unserem Überfluss weitergeben wollen, wohin am besten?
Die Storys habe ich hier nochmal als Gallerie eingefügt. Blättert gerne mal durch, es sind so tolle Tipps dabei!
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