Passah, Abendmahl, oder was? Ein Vorwort
Mit diesen Worten wird oft das Abendmahl eingeleitet. Dabei stehen wir im Kreis und essen andächtig schweigend Toastbrot und trinken Traubensaft, während leise Musik im Hintergrund spielt. Oft verbunden mit der Aufforderung, im Gebet nochmal alles zu klären, was zwischen uns und Gott steht und der leisen Angst, dabei etwas vergessen zu haben.
Ich stelle mir den Abend des ersten Abendmahls ganz anders vor.
Der Sederabend, der Auftakt des Passahfestes, das Jesus mit seinen Jüngern gefeiert hat und aus dem unser heutiges Abendmahl entstanden ist, hat eine lange Tradition. Es ist ein Fest für die ganze Familie. Eltern und Kinder, Jesus und seine Freunde, alle sitzen sie an diesem Abend an ihren Tischen und genießen ein wahres Festessen. In der begleitenden Liturgie aus Fragen der Kinder und Antworten der Älteren erinnern sie sich daran, wie Gott ihr Volk aus der Sklaverei in Ägypten befreit hat. Wenn ich an das erste Abendmahl denke, entsteht vor meinem inneren Auge ein Bild vom reich gedeckten Tisch, von duftendem Essen und Kerzenrauch, von vollen Bäuchen und ausgelassenem Lachen, von Erinnerung an vergangene Wunder und der gespannten Erwartung, welche die Zukunft wohl bringen wird.
Beim Sederabend gibt es neben dem großen Festessen noch bestimmte Speisen, die symbolische Bedeutung haben, z.B. ein bitteres Kraut, das daran erinnert, wie bitter es in der Sklaverei war. Oder Kräuter, die in Salzwasser getunkt werden, um an die Tränen zu erinnern, die in dieser Zeit geweint wurden. Und vier Becher mit Wein, die die verschiedenen Schritte der Erlösung symbolisieren. Nacheinander werden die Symbole erfragt und erklärt, gegessen und getrunken. Bis am Ende die Türe geöffnet wird und man den Propheten Elia hereinruft, als Symbol dafür, dass dieser irgendwann einmal an einem solchen Abend herein kommen und das Kommen des Messias ankündigen soll. Dafür steht ein 5. Becher auf dem Tisch, der Becher des Elia, der unberührt stehen bleibt.
Ich stelle mir vor, wie Jesus mit seinen Jüngern an der Festtafel sitzt. Wie sie das Mahl feiern und die Liturgie entlang gehen. Bis zu diesem letzten Punkt…
Und Jesus dann den Becher des Elia ergreift. Wie er davon spricht, dass dieser sein Blut symbolisiert. Und seine Jünger einen Moment den Atem anhalten. Wie es einer dieser Momente ist, wo ihnen bewusst wird, das Jesus nicht nur ganz Mensch ist, sondern vielleicht tatsächlich der erwartete Messias. Diese Gänsehaut, die sie in dem Moment beschleicht und eine Hoffnung zum Leben erweckt, die mit den Jahrhunderten vielleicht zu einem bloßen Ritual geworden ist.
Jesu’ Aufforderung, das Abendmahl “zu seinem Gedächtnis” zu feiern, bedeutet für mich mehr als schweigend ein Stück Toastbrot und einen Schluck Wein im Kreis zu mir zu nehmen. Es bedeutet für mich, diesen Gänsehaut-Moment nachzuerleben. Mich zu erinnern und lebendig werden. zu lassen, wie Gott über die Jahrhunderte hinweg immer wieder sein Volk gerettet hat. Mit Brot und Wein (oder Saft). Aber auch mit einem Festessen, Kindern die Fragen stellen dürfen und vielleicht auch eigenen Erzählungen, wie Gott unser eigenes Leben gerettet und uns neue Heimat gegeben hat.
Unsere praktische Umsetzung
Im Rahmen unseres Osterweges haben wir zum ersten Mal ein besonderes Abendessen am Gründonnerstag gefeiert. Mit Elementen aus dem Sederabend, aus dem Abendmahl und ein paar ganz freien Interpretationen. Manches kommt Liturgie-Kennern vielleicht bekannt vor, anderes haben wir frei umgewandelt. Mein Schwerpunkt dabei war, Gottes Rettung zu feiern, durch alle Zeiten: in Ägypten, an Ostern, in unserem Leben und mit dem Ausblick auf den Himmel. Und dem ganzen einen besonderen Rahmen zu geben, der an Passah und Ostern anknüpft.
Es ist noch nichts in Stein gemeißelt, manches wird sich mit den Jahren noch verändern und entwickeln. Aber es war ein wunderschöner, bewegender Abend für uns, den ich gerne mit euch teilen möchte. Vielleicht bekommt ja jemand Lust darauf, sich mit uns auf die Reise zu begeben.
Zuerst zu den Zutaten:
Für unser besonderes Abendessen braucht ihr
* Traubensaft
* Mazzenbrot (aus dem Supermarkt oder selbstgemacht)
* 5 Becher
* Meerrettich
* Petersilie
* Schüssel mit Salzwasser
* Lieblingsdessert
* ein weißes Tuch/Zewa/Geschirrtuch
* Lammkeule oder ein anderes Festessen
* Handtuch
* Schüssel warmes Wasser
* Kinderbibel
Vorbereitung:
Das Essen wird so vorbereitet (Fleisch im Ofen, Gemüse geschnippelt und vorgekocht, …) das es nachher in kurzer Zeit auf den Tisch kann. Der Nachtisch steht schon im Kühlschrank bereit.
Auf dem Tisch steht ein schönes Brett mit dem Meerrettich, den Mazzen, den 5 Bechern Wein, den Kräutern und dem Salzwasser und einem Schälchen vom Nachtisch. Wir haben das Brett einmal für alle gerichtet und geteilt. Es kann aber auch jeder sein eigenes bekommen.
Es sollte alles eher früh am Abend stattfinden, da der Ablauf wirklich Zeit braucht. Bei jüngeren Kindern könnte man es auch zu Mittag machen und nach dem Festmahl eine Runde Spaziergang einlegen (zwischen 3. und 4. Becher).
Unsere kleine Liturgie:
Während ein Elternteil den Tisch deckt und alles richtet, liest der andere mit dem/den Kind/ern die Geschichten in der Kinderbibel von Abraham bis zur Ankunft bei Josef in Ägypten. Wenn alles fertig gerichtet ist, werden alle an den Tisch gerufen. Dort bekommt jeder, bevor er sich setzt, einmal die Füße gewaschen. Am Tisch zündet ein Kind die Oster-Kerze (oder einfach eine andere schöne Kerze) an. Ein Kind darf aufzählen, was besonderes auf dem Brett in der Mitte steht. Dann darf es 1 Mazzen in ein Tuch wickeln und verstecken (der wird später wieder gebraucht). Jetzt beginnt die kleine Liturgie mit Elementen aus dem Seder-Abend, wozu auch gehört, dass ein Kind bestimmte Fragen stellen darf, die von den Erwachsenen beantwortet werden und durch den Abend führen.
“Wofür ist der 1. Becher?”
Der 1. Becher steht dafür, dass Gott sein Volk erwählt hat. Wir fassen die gelesenen Geschichten aus der Kinderbibel in zwei, drei Sätzen zusammen, wie Gottes Abraham ein großes Volk verspricht und sie viele werden und erzählen, dass Gott die Israeliten von allen Völkern ausgesucht hat, dass sie für ihn wie seine Kinder sind.
Der 1. Becher wird getrunken.
Wir lesen/erzählen weiter, sie in Ägypten irgendwann zu viele wurden, so dass die Ägypter Angst bekamen und sie als Sklaven arbeiten mussten.
“Wofür ist die Petersilie/das Salzwasser/der Meerrettich?”
Wir erklären die Bedeutung (siehe Vorwort). Dann wird alles probiert und “nachgeschmeckt”, wie bitter und traurig das Leben in der Sklaverei war.
“Wofür ist der 2. Becher?”
Der 2. Becher steht dafür, dass Gott sein Volk gerettet hat. Wir erzählen/lesen von den Plagen und wie Mose das Meer geteilt hat. Dann wird der 2. Becher getrunken.
“Warum ist das Brot so dünn?”
Das Mazzenbrot erinnert an das Brot, dass sie bei ihrer Flucht dabei hatten. Weil alles schnell gehen musste, hatten sie keine Zeit, einen Sauerteig zu machen und das Brot gehen zu lassen. Deshalb ist dieses hier so flach und nur aus Wasser und Mehl gemacht. Wir nennen es auch “ungesäuertes” Brot.
Das Brot darf jetzt probiert werden.
Jetzt geht ein Erwachsener in die Küche und richtet das Essen fertig (holt aus dem Ofen, brät noch kurz an, deckt den Rest des Tischs,…) So lange lesen die anderen auf dem Sofa die Geschichte nochmal nach, von Josef bis zur Rettung aus Ägypten und evtl. der Wüstenwanderung. Dann geht es am gedeckten Tisch weiter.
“Wofür ist der 3. Becher?”
Der dritte Becher erinnert uns daran, dieses Fest immer wieder zu feiern. Gott hat es uns als Erinnerung gegeben, damit wir nicht vergessen, wie er sein Volk befreit hat.
Dann trinken wir den 3. Becher und Essen den Hauptgang unseres Festessens.
“Wofür ist der 4. Becher?”
Der 4. Becher erinnert uns daran, dass Gott seinem Volk ein neues Zuhause gegeben hat. Wir erzählen, wie das Volk nach der Wüstenwanderung endlich ankam und sein Land bezogen hat, dass sie jetzt in Freiheit lebten und Gott in einem Zelt, später in einem Tempel immer bei sich hatten.
Dann wird der 4. Becher getrunken.
“Ein Brot haben wir noch versteckt, und da steht noch ein 5. Becher. Wofür sind die?”
Wir stehen nochmal alle auf uns suchen das versteckte Brot. Der “Verstecker” darf Tipps geben, die anderen müssen suchen. (Die Bewegung hilft nochmal, wieder Aufmerksamkeit zu sammeln, vor dem letzten Punkt).
Wir erzählen vom 5. Becher, der immer übrig blieb, weil er ein Zeichen dafür war, dass Gott seinem Volk nochmal einen Retter schicken würde. Dann lesen/erzählen wir von Jesus, der den Kelch genommen hat. Wir brechen das Mazzenbrot, das in ein Tuch eingewickelt ist wie Jesus, nachdem er starb. Wir teilen Brot und Wein, wir feiern Abendmahl als Familie.
“Und wofür ist… (der Nachtisch)?”
Wir erzählen, dass Jesus mit seinem Tod den Weg zu Gott frei gemacht hat, für alle. Das wir jetzt genauso wie sein Volk Gottes Kinder sind. Dass Jesus uns gerettet hat und dass wir mit ihm Ostern feiern dürfen. Und dass er im Himmel auf uns wartet um dort ein noch größeres Fest mit uns zu feiern. Dass es noch schöner wird als dieses Fest, wie eine Hochzeit (Verknüpfung zu schönen großen Feiern suchen, die die Kinder kennen). Und dass wir dann ein neues Zuhause bei Gott haben werden. (Mit dieser Frage werden die 4 Becher Erwählung, Rettung, Fest und neues Zuhause auf uns/Jesus übertragen).
Und dann essen wir zusammen den Nachtisch und lassen den Abend mit Musik und eigenen Geschichten ausklingen.
[Dieser Beitrag kann Werbung enthalten]
Mit * gekenntzeichnete Links sind Affiliatelinks. Wenn du darüber etwas kaufst, erhält Räuberliebe eine kleine Provision. Bei Interesse an einem der Produkte freue ich mich also, wenn du über meinen Link kaufst, so kannst du Räuberliebe direkt unterstützen. Für dich entstehen dabei natürlich keine Mehrkosten. Alle Links ohne * sind einfach unbezahlte Werbung.
Vielen Dank!