Wenn der Horizont erst der Anfang ist

Letzte Woche habe ich mal die Handykammera auf Video-Aufnahme gestellt und so im Auto befestigt, dass sie meinen Weg zur Arbeit mitgefilmt und dieses Bild festgehalten hat. Was für ein wunderschöner Sonnenaufgang! Ich hatte definitiv noch nie so einen schönen Arbeitsweg! Ihr müsstet das Ganze mal sehen, wenn noch der Nebel in den Tälern liegt!

Auf Instagram gibt es gerade die Aktion “Bewusst Novembern”. Es geht darum, den November nicht als Sprungbrett zu Weihnachten zu sehen, sondern bewusst zu erleben, auch an den nassen, kalten, ungemütlichen Tagen. Und jede Woche zu einem anderen Thema die Gedanken zu sortieren und festzuhalten. Das Überthema dieses Jahr ist “Himmelwärts”. Und ohne dass ich vorhatte, groß mitzumachen, war es mir eine Gedankenhilfe auf dem täglichen Weg zur Arbeit. Neben den Alltagsgedanken (wer hat schon in KiTa/Arbeit gegessen oder braucht noch was, welche Termine stehen an, wie hätte ich diese oder jene Situation besser lösen können/packe ich dieses oder jenes am besten an,… ihr kennt das 😉 ) blieben mir immer auch ein paar Minuten um den Himmel zu bestaunen und mir die Frage zu stellen, was sich für mich ändert, wenn ich meinen Blick vom Boden löse. Wenn die Wolken, Weite und Ewigkeit meine Perspektive sind?

Kommt gerne ein bisschen mit auf meine Gedanken-Reise!

 

HIMMELWÄRTS träumen

Von was träumst du, wenn sich dein Blick vom Boden löst? 
Wenn der Horizont erst der Anfang ist?
Wenn alles was du siehst, Weite statt Mauern ist? 
Wenn Grenzen sich auflösen und alles möglich wird?

Meine Träume und Wünsche sind im Alltag oft so begrenzt. Vielleicht, weil mein Blick zu oft genau dort kreist. Weil ich zu sehr mit Organisieren beschäftigt bin, mit dem Planen und Umplanen, anpassen und passend machen. Weil es meine Aufgabe ist, die Dinge HIER im Blick zu behalten und ich mir zu wenig Zeit nehme, nach OBEN zu schauen? Ganz praktisch merke ich grade auf den Weg zur Arbeit, wie gut das tut, wenn ich mal nach Oben schaue. Weite, Farben und Schönheit aufsauge, die für mich keinen Zweck erfüllen, nicht organisiert werden wollen. Ich habe da oben keine Aufgabe, bin für nichts verantwortlich. Ich kann einfach genießen. 

Letzte Woche habe ich mit einer Freundin über Freiheit gesprochen. Was sie für uns bedeutet und mit was wir sie verbinden. Es war so spannend, wie unterschiedlich das bei jedem belegt ist. Für mich ist Weite ein Aspekt von Freiheit. Der Blick in den Sonnenaufgang löst in mir ein Gefühl von Grenzenlosigkeit aus, von “Alles ist möglich”. Er hilft mir, grenzenlos zu träumen. 
Und er erinnert mich daran, dass ich einen himmlischen Vater habe, der tatsächlich alle Grenzen aufheben kann, dem nichts unmöglich ist. Für den diese Weite Realität ist und dessen Macht noch weit darüber hinaus geht.

Ich packe alte Fragen aus und fange an, sie neu zu träumen. Was ich mir wirklich wünsche, welche Wege ich gehen möchte, erkenne ich oft erst dann, wenn ich alle “Wenn”s, alle “Aber”s, alle Sorge vor dem Unmöglichen fallen lasse und mir erlaube, zu träumen. Himmelwärts!

HIMMELWÄRTS schreien

 Zwei Situationen kommen mir sofort in den Sinn:

– Am Bett meines kranken Säuglings. Ich selbst krank vor Sorge, weil er nichts mehr bei sich behält, jede Flüssigkeit nach 10 Minuten spätestens wieder Bett, Boden und Wand ziert statt in dem kleinen Magen zu bleiben. Weil man uns im Krankenhaus nicht ernst nimmt, “der Kleine lacht ja so fröhlich nach der Infusion, kommt bestimmt nur vom Husten”. Erst die Untersuchung der Windel, auf die ich bestanden habe, wird 3 Tage später eine Kombiinfektion aus Norovirus und noch einem Bakterium belegen, von dem ich schon vergessen habe, wie man es ausspricht. Und ich selbst krank mit Erkältungsinfekt. Ohne Medikamente komme ich nicht durch den Tag und die bewährten Erkältungs-Hammer-Medikamente kann ich nicht mehr nehmen, weil mein Körper so überlastet ist, dass er mit Herzflattern darauf reagiert.

– Und dann diese eine Nacht. Wir beide, irgendwann nach 2 Uhr auf dem Küchenboden sitzend. Wach geworden von der Abschiedsnachricht eines Freundes. Telefonate mit Feuerwehr, Polizei und dann bodenlose Leere. Zusammen durch Tage navigieren, an denen man sich manchmal bewusst an die einfachsten Dinge erinnern muss: einen Fuß vor den anderen setzen. Einatmen, ausatmen. Und sich dabei tragen wie der Tiger und der Bär von Janosch, wenn einer zu müde wird, trägt ihn der andere ein Stückchen und umgekehrt.

Mein Herz, das schreit – ohne Worte, weil die irgendwann fehlen.
Himmelwärts. Aber nicht nach oben.
Weil der Himmel nicht nur ein physikalisches Gebilde aus Atmosphäre, Wasser und Sternen ist. Sondern um mich herum, tief in mir drin. Und unter mir. Ein Gott, der größer ist als alles. Der tiefe Verzweiflung kennt, der vor Angst und Schmerz Blut geschwitzt hat. Und alles das besiegt hat.
Der sagt: “In der Welt habt ihr Angst, aber ich habe die Welt überwunden”. Und noch nie war ich mir sicherer, das es ihn gibt, habe ich ihn stärkerer erlebt, konnte ich ihn mehr greifen als in diesen beiden Situationen. Er war da, er hat mich getragen, hat uns getragen, als unsere Kraft nicht mehr ausgereicht hat. Himmelwärts schreien ist kein Ruf in unendliche Sphären des Universums. Es ist ein wortloser Schrei in ein Ohr, dass keine Worte braucht um zu Verstehen. An ein liebevolles Vaterherz, das mich schon längst im Arm trägt.

HIMMELWÄRTS hoffen

Heute gibt es keinen Sonnenaufgang oder blauen Himmel. Statt dessen fahre ich in eine Wand aus grau, die immer mal wieder hinter Regentropfen verschwindet, bis der Scheibenwischer die Sicht wieder frei gibt. Ich bin auf dem Heimweg und habe mittlerweile auch den Räuber vom Kindergarten abgeholt. Auf der Rückbank schmiedet er Pläne, mit wem er heute spazieren laufen will. Ich schaue in den Himmel und mache ihn auf die dunkle Wolkenwand aufmerksam. Aus Spazieren gehen wird heute wohl eher nichts. Dann biegen wir ab und die Straße, die wir jetzt entlang fahren, gibt den Blick auf eine andere Seite des Himmels frei. Auf einzelne aber kräftige Sonnenstrahlen, die sich den Weg durch die graue Wolkenwand bahnen. Und Platz machen für eine leise Frage: 

Was, wenn es gut wird? 

Nicht nur für heute Nachmittag, sondern auch bei anderen Themen, die in meinem Kopf tiefgraue Wände bauen?
Was, wenn es gut wird?

Kein Schrei. Kein Wunschtraum. Nur ein Gedanke. Eine kleine Hoffnung, die mit tapsigen Schritten auf den Schoß dessen klettert, der alles im Griff hat, und sich mit einem Seufzer ankuschelt. Und ich hoffe, sie nimmt mehr und mehr Raum ein, bis sie kraftvoll genug ist, die grauen Wände zu durchbrechen. 

 

HIMMELWÄRTS leuchten

November. Der Monat nach der Zeitumstellung. Als wäre er nicht grau genug, drehen wir auch noch die Uhr zurück und holen die Nacht noch ein Stück näher.
November, ein weiterer Monat Proteste und Hinrichtungen im Iran.
Ein weiterer Monat Krieg in der Ukraine.
WM-Start in Katar.
Der Monat, in dem ich anfange zu Heizen, zaghafter als sonst.

November. Der Monat von St. Martin.
Der Monat, in dem viele kleine Hände viele kleine Lichter tragen.

Wir laufen diese Woche Laterne. Und nächste.
Zum Blumenladen. Mit der Kinderstunde. Mit dem Kindergarten. Zum Einkaufen.
Und es tut so gut, dem kleinen tanzenden Licht zuzusehen. Wie es leuchtet in dem mittlerweile recht verbeulten Feuerwehrauto, dass schon mehrfach geflickt wurde. Es hat schon einige Teile ganz verloren, aber kein bisschen von seiner Strahlkraft. 
Und immer wieder denke ich an die Worte in Annes Buch, dass St. Martin mich daran erinnert, dass ich ein Stück Himmel in mir trage wie der Räuber seine Laterne. Weil mein Herz den trägt, der von sich sagt “Ich bin das Licht”. 
Das Licht, dass mir den Weg leuchtet. Das Licht, dass mich die Not meines nächsten erkennen lässt. Die Licht, dass Liebe ist und uns mehr wärmt als jeder Mantel.

Beim Laternelaufen mit dem Kindergarten beobachte ich, wie aus vielen kleinen Lichtern ein langer Zug wird, der sich in Bewegung setzt. Ich begreife, was Licht vermag, wenn es sich aufmacht, zusammen gegen die Dunkelheit. Vielleicht reicht mein Licht nicht in weit entferne Länder. Vielleicht ist meine Aufgabe auch gar nicht, alle Last dieser Welt zu schultern, sondern einfach da Licht sein, wo ich stehe. Aber vielleicht kommt zu meinem Licht deins dazu, und noch eins, und noch eins. Bis ein Lichterzug entsteht, der bis an die Enden der Erde reicht.

HIMMELWÄRTS staunen

Himmelwärts – träumen, schreien, hoffen und leuchten. Seit drei Wochen begleitet mich das Thema und hilft mir, meine Gedanken zu sortieren.

Jetzt schreibe ich sie auf und staune.
Wie viel Weite mir der Blick nach oben gibt – und wie viel weiter als bloß “oben” er ist.
Himmelwärts, das ist oben, um mich herum, unter mir und in mir drin.
Himmelwärts ist mehr als Atmosphäre, Astronomie und Wetter – 

Himmelwärts ist ein Gegenüber.
Himmelwärts ist die Liebe in Person.
Himmelwärts trägt einen Namen!

“El Roi” – der Gott der mich sieht  
– die Jahreslosung 2023

Und ich staune, wie viele Aspekte meiner Beziehung zu ihm diese paar Schlagworte ausdrücken. Wie viel Essenz meines Glaubens darin liegt. Und wie viel Sehnsucht – nach HIMMELWÄRTS leben!